Es gibt immer wieder diese besonderen Momente, in denen ich spüre: Es ist so toll, dass ich ein Teil der VCU Zürich sein kann. Der 27. Juli war so ein Abend. Wie immer in den letzten Jahren haben wir kurzfristig zu einer Sommerabendveranstaltung eingeladen. In diesem Jahr war es zu einem Gespräch mit P. Stephan Rothlin SJ, der seit 24 Jahren in China lebt und gerade für einige Wochen in der Schweiz weilt.
Das Interesse übertraf unsere kühnsten Erwartungen. Über 30 Personen, aus dem Kreis der beiden Organisatoren, dem Club Felix und der VCU Zürich, sowie aus dem Freundeskreis von Stephan Rothlin, namentlich dem Ladanyi-Club (siehe weiter unten), fanden sich in der Jesuitenbibliothek ein und verfolgten gebannt und gespannt seinen kundigen und überlegten Ausführungen.
Brückenbauer seit Jahrhunderten
Der 63jährige Stephan Rothlin ist Direktor des 1999 gegründeten Macau Ricci Institut sowie Gründer und Geschäftsführer von Rothlin International Management Consulting Ltd. mit Sitz in Peking und Hongkong. Der Name des Instituts bezieht sich auf Matteo Ricci (1552-1610), einen italienischen Jesuiten, der 1583 China erreichte und einer der frühesten Brückenbauer zwischen diesen beiden grossen Kulturen ist. Sieben Jesuiten gehörten zu den Gründern des Instituts, das bis heute eng mit dem Jesuitenorden verbunden ist und sich vor allem mit vergleichender Spiritualität (Comparative Spirituality), ethischer Führung (Moral Leadership) und Wissenstransfer (Social Innovation) befasst. Zu seinen Kunden zählen sowohl westliche als auch chinesische Unternehmen, Universitäten und Institute. Im Unterricht, betonte er, stellen konkrete Fallstudien die erste und wichtigste Grundlage dar (siehe am Schluss Buchempfehlung).
Neben dem Jesuitenorden stellt der Ladanyi-Verein mit Sitz in Zürich seit 14 Jahren das Bindeglied zur Schweiz dar. Ihre Mitglieder sind bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft. Er organisiert immer wieder interessante und spannende Veranstaltungen. Mehr Informationen finden Sie hier.
Dialog mit China wichtiger denn je
In dem vom Schreibenden moderierten Gespräch deckte Stephan Rothlin eine grosse Breite an Themen in konzisen und konkreten Erfahrungen, Erkenntnissen und Schlussfolgerungen ab. Deutlich wurde vor allem eines. Der Dialog mit China, die Auseinandersetzung mit seinem Denken und seinen Werten ist wichtiger denn je. Stephan Rothlin bedauerte, dass nicht mehr (junge) Menschen aus dem Westen Chinesisch lernen (“nicht so schwer, wie oft gemeint und gesagt wird”) und nicht mehr junge Menschen in China studieren (“der Westen sollte auf eine gleiche Anzahl von Studenten drängen”).
In der anschliessenden Diskussion kamen auch aktuelle geopolitische Themen zur Sprache. Stephan Rothlin wies in freundlicher, aber klarer Weise auf die Perspektive Chinas in diesen Zusammenhängen hin. So erinnerte er an die langjährige enge Freundschaft Chinas mit Russland (“Freundschaft ist ein hohes Gut in China”), an die historischen Bindungen Chinas zu Taiwan (“für China ist Taiwan immer ein Teil ihrer Welt”) und an die Bedeutung von Respekt in den gegenseitigen Beziehungen. Für uns, so ist Stephan Rothlin überzeugt, gibt es keine vernünftige Alternative zum Dialog mit China. Er freut sich, weiterhin einen Beitrag dazu zu leisten.
Ausklang und Buchempfehlungen
Im Anschluss an das Gespräch ging es zu Fuss, mit dem Auto oder dem Tram zum Restaurant Riithalle, in dessen grosszügigem Garten wir uns im Sinne unserer Statuten der “Pflege des Gedankenaustausches und der freundschaftlichen Beziehungen” widmeten.
Wir wünschen dir, lieber Stephan, noch viele spannende Jahre des Austauschs und der Arbeit in China und bei uns und empfehlen allen, die nicht dabei sein konnten, eines der neueren Bücher von Stephan Rothlin: Doing Good Business in China (2021, World Scientific Publishing) oder Pekinger Nachtgespräche mit Peter Achten und Stephan Rothlin (2018, Fromm Verlag). Beide erhältlich beim Ladanyi-Verein (E-Mail an info@ladanyi.ch).
Roland Gröbli
Bilder: Myriam Mathys, Jan Radlinsky und zVg